Wie Struktur das Spiel verbessert – Trail of Cthulhu

Seit ich das erste Mal etwas über das „Gumshoe“-System gelesen habe, möchte ich es ausprobieren, und nun, endlich, hatte ich Gelegenheit dazu. Auf dem Auf-den-Inseln-Con 2010 spielten wir ein einfaches Abenteuer mit „Trail of Cthulhu“ (Cthulhu-Rollenspiel auf Basis von „Gumshoe“) und ich war begeistert – begeistert genug, um hier darüber zu berichten und zu erklären, warum ich das System für gelungen halte.

Die erste Reaktion auf „Gumshoe“ oder „Trail of Cthulhu“ ist normalerweise Skepsis. „Das System repariert etwas, das nicht kaputt ist“, höre ich immer wieder, und wirklich scheint das System gar nicht nötig zu sein, wenn man als Spielleiter ein wenig Erfahrung an den Tisch bringt. Wie sich herausgestellt hat, verbessern diese „Reparaturen“ das Spiel aber erheblich.

Die Idee hinter dem System ist folgende: In Detektivabenteuern geschieht es immer wieder, dass die Charaktere nur dann eine Information erhalten, wenn ihnen eine passende Fertigkeitsprobe gelingt. Das ist das Grundprinzip fast aller Rollenspiele: Ist der Ausgang unklar, würfele. Robin Laws, der Autor des  „Gumshoe“-Systems, findet aber, dass das in diesem speziellen Fall blöd ist. Wenn eine Probe vergeigt wird, bekommen die Charaktere die Info nicht und das Spiel stoppt, oder der Spielleiter muss sich winden, um den Charakteren die Info doch noch irgendwie zukommen zu lassen. Mit seinem Gumshoe-System behebt er das Problem, indem er festlegt: Wer eine passende investigative Fertigkeit besitzt, bekommt auch die Info. Punkt. Kein Würfeln, keine Rückfragen. Die Spielfiguren haben zusätzlich Punkte in den Fertigkeiten, die sie einsetzen können, um tiefergehende Infos zu bekommen.

Prinzipiell hätte ich den Skeptikern vor dem Spieltest Recht gegeben. Ich spiele detektivische Abenteuer normalerweise mit dem Cthulhu-System, irgnoriere die Regeln aber weitestgehend. Gewürfelt wird im Kampf oder bei Verfolgungsjagden (auch im Gumshoe-System wird bei normalen, nicht-investigativen Fertigkeiten gewürfelt) und immer mal wieder eine Probe auf „Verborgenes erkennen“ oder „Bibliotheksnutzung“, einfach weil Spieler gern würfeln. Wenn es darauf ankommt, eine wichtige Info zu bekommen, lasse auch ich nicht würfeln. Irgendwie bekommen sie sie.

Bei unserem Testspiel stellte sich aber heraus, dass es ein ganz anderes Spielgefühl ist, wenn man die Fähigkeiten auf seinem Charakterbogen auch beim Detektivspiel versuchen muss, möglichst gewinnbringend einzusetzen. Es war schon cool, als ein Mitspieler beim Ausfragen des Kindermädchens irgendwann nicht weiter kam und klar wurde, dass eine „härtere Hand“ benötigt wird, und meine Figur mit der Fertigkeit „Verhören“ dann doch Ergebnisse erzielte. Glaubt es oder glaubt es nicht, aber der Kick eine Info schließlich bekommen zu haben, ist wirklich ein ganz anderer. Es kommt auf diese Weise ein kleines taktisches Element zur Hinweissuche, das mir ausgesprochen viel Spaß gemacht hat.

Doch damit hören Laws‘ Gedanken zum Detektivgenre nicht auf, auch den Aufbau von entsprechenden Abenteuern beleuchtet er. In jeder Szene gibt es einen, selten auch mal zwei oder drei „Core Clues“, Hinweise, die benötigt werden, um mit dem Abenteuer weiterzumachen – sprich, sie schicken die Charaktere zur nächsten Szene. Für die „Core Clues“ müssen die Charaktere niemals Punkte ausgeben. Daraus ergibt sich meist ein recht gradliniger Abenteueraufbau: Szene 1 => Core Clue schickt zu Szene 2 => Szene 2, etc.

Auch hierbei gibt es häufig Stirnrunzeln: Ist das nicht Railroading? Wird das nicht schnell langweilig? Nein! Beides nicht – und ich habe jetzt am eigenen Leib erfahren, dass diese Aufbau nicht nur funktioniert, sondern das Abenteuer erheblich bereichert. In einem Detektivabenteuer geht es darum, die Hinweise zu entschlüsseln, die Spieler folgen also freiwillig dieser Perlenschnur von Hinweisen (also kein Railroading) und durch die jeweils neuen Rätsel sollte es auch nicht so schnell langweilig werden.

Ich bin ein fauler Spieler. Wenn ich normalerweise mit Detektivabenteuern konfrontiert werde, verliere ich schnell die Lust, mir die ganzen Namen aufzuschreiben, die Hinweise zu notieren oder gar zwischen den Spielsitzungen zu merken. Normalerweise überlasse ich recht schnell den anderen Spieler das Ruder und schwimme mit dem Strom mit, greife nur die Hinweise auf, die offensichtlich sind und bringe mich lieber im Showdown ein. Der Aufbau von Gumshoe-Abenteuern sorgt einerseits dafür, dass die Abenteuer strukturell einfacher werden und andererseits, dass man als Spieler in jeder Szene weiß: Ich bekomme meinen Hinweis, wenn ich nur lang genug suche. Für mich war das eine Offenbarung. Ich bin viel begeisterter hinter Hinweisen hinterhergerannt, habe Leute ausgefragt und Räume untersucht.

Es gibt noch einen kleinen Clue bei Gumshoe: Die Scene-Karte. Haben die Spieler alle Hinweise in einer Szene erhalten und drohen sie sich in unwichtigen Details zu verrennen, hält der Spielleiter eine Karte in die Luft auf der steht: „Scene“. Die Karte kam bei uns diverse Male zum Einsatz, hielt das Spiel jederzeit am Laufen und verhinderte jede Form von Langeweile. Tolle Sache.

Das verhindert nicht 100%ig, dass die Gruppe stockt, wir haben beispielsweise einen der „Core Clues“ einfach vergessen und mussten vom SL auf ihn gestoßen werden, aber insgesamt lief es runder und übersichtlicher als praktisch jedes anderen Detektivabenteuer, das ich bisher spielte. „Trail of Cthulhu“ und „Gumshoe“ im Allgemeinen wurde spontan zu meinem favorisierten Detektivsystem. Ich konnte der Story problemlos folgen und ich hatte Spaß daran! Ich konnte mit Hilfe der Fähigkeiten meines Charakters Hinweise finden und das Finden selbst wurde zu einem taktischen Element, ohne dass es das Rollenspiel im Mindesten eingeschränkt hätte (ein weiterer Pseudo-Kritikpunkt an Gumshoe: Die Leser haben Angst, dass das Spiel zu einem Abarbeiten von Fertigkeiten verkommt – dem ist nicht so). Die Struktur hat das Spiel verbessert.

Mein Fazit nach dem Spieltest kann nur lauten: Ja, ein erfahrener Spielleiter benötigt die Hilfestellungen von „Trail of Cthulhu“, „Mutant City Blues“, „The Esoterrorists“ u. a. nicht, aber sie verbessern das Spiel. Ich könnte mit ihrer Hilfe zum Fan von Detektivabenteuern werden – etwas, das ich nie für möglich gehalten hätte.

Um es im Stil eines anderen auszudrücken: AUSPROBIEREN! AUSPROBIEREN! AUSPROBIEREN!

Veröffentlicht am 19. Oktober 2010, in Gumshoe, Rezensionen, Rollensp. allg.. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für Wie Struktur das Spiel verbessert – Trail of Cthulhu.

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