Archiv der Kategorie: Rollensp. allg.

Warum ist „Weird History“ interessanter als pure Geschichte?

Drüben bei „The 9 and 30 Kingdoms“ ist ein erhellender Artikel über die Frage: Warum werden immer Magie, Zombies, Superkräfte o. ä. in historische Settings gemixt? Warum mischt Fvlminata Schusswaffen und Magie ins alte Rom? Warum verkauf(t)en sich Deadlands und 7th Sea relativ gut, reine Western- oder Mantel-und-Degen-Spiele aber nicht so gut?

Ich hatte mal mit einem Freund ein Gespräch darüber, und ich wusste keine Antwort. „Weil’s cooler ist“, dachte ich.

Die Antwort scheint so einfach, dass ich mich frage, warum ich nicht selbst darauf gekommen bin. „Weil’s breiter angelegt ist“, könnte sie sein.

Wen es genauer interessiert: Look and Feel

Impro erfolgreich vorbereiten

Ich habe am Wochenende wieder einmal festgestellt, dass ich nur dann gut improvisieren kann, wenn ich sehr gut vorbereitet bin. Ich leitete ein Cthulhu-Abenteuer, bei dem ich die Ecken und Kanten noch nicht 100%ig ausgebügelt hatte und wollte an diesen Stellen improvisieren. Das Ergebnis war langweilig.

Die Theorie des Improvisierens kenne ich, ich habe Walmsleys „Play Unsafe“ gelesen und auch selbst schon gute improvisierte Teile abgeliefert. Wenn ich mich aber auf mein Impro-Talent verlasse, versagt es meist.

Wie sieht das bei euch aus? Wie gut müsst ihr vorbereitet sein, um erfolgreich zu improvisieren? Wie häufig improvisiert ihr? Habt ihr besondere Techniken oder Tipps?

Diskussion auch gern auf Google+.

Hspielt: Dungeonslayers, HEX und Soylent Green

Mein diesjähriger Besuch bei Hspielt! in Hannover war wie erwartet sehr unterhaltsam. Ich hatte wie immer viel Spaß, habe viele liebe Menschen getroffen, eingekauft und ein wenig gezockt.

Mein erster Gang nach Begrüßung der vielen bekannten Gesichter führte mich zum Uhrwerkstand. Ich habe dem inneren Flüstern nachgegeben und mir die komplette Sammlung von Hollow Earth Expedition gekauft. Die beiden Boxen Summoner Wars wanderten ebenfalls in meine Tasche. Die Regeln von Summoner Wars sind erfreulich einfach. Ein Probespiel steht noch aus, wird aber nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Die HEX-Bücher sehen toll aus und machen nach kurzem Reinlesen einen guten Eindruck. Schließe ich vom Abenteuer „Die eisige Stadt des Schreckens“ auf den Rest der Reihe, könnte HEX meine Hassliebe zu Pulp ein für alle Mal zu einem guten Ende bringen. Das Genre Pulp (also 30er Jahre, verrückte Wissenschaft, mutige Abenteurer, Elemente von Horror und Fantasy, Dinosaurier und fliegende Affen) finde ich toll. Die bisherigen Umsetzungen kranken aber aus meiner Sicht daran, dass sich die Abenteuer zu sehr auf die reine Action konzentrieren. Wenn sich Actionszene an Actionszene reiht, ohne dass die Spieler mal Luft holen können, geht für mich der Reiz verloren. Die „eisige Stadt“ liefert schon auf den ersten Seiten eine Menge Abwechslung. Bleibt nur die Frage, warum die drei veröffentlichten Abenteuer für ein Spiel, das „Expedition in die Hohlwelt“ heißt, alle auf der Erdoberfläche spielen. Abgesehen davon, habe ich vielleicht endlich das Pulpspiel gefunden, mit dem ich glücklich werden kann.

Der Con war wie gewohnt hervorragend organisiert. Auch das Stand-Angebot war gut: Uhrwerk, Pegasus (mit einem großen Stand; übrigens der Hauptsponsor von Hspielt!), mehrere Händler, ein Tisch mit Indie-Rollenspielen, die von den Organisatoren verkauft wurden (mit vielen hervorragenden Spielen), die Redaktion Phantastik mit Private Eye und mehr. Jemand verkaufte aus Comics genähte Portemonnaies.

Ab 17 h bot ich Die Tonkrieger des Hoi-Ming für Dungeonslayers an. Die Runde war mit fünf Spielern voll besetzt, drei davon kannten DS noch nicht. Das Abenteuer lief gut, soweit ich das aus Sicht des SLs beurteilen kann. Zwei der Spieler haben sich in den zwei kurzen Spielpausen die DS-Box gekauft, was wohl ein gutes Zeichen ist (zwei besaßen die Box bereits). Mit Pausen haben wir 4 Std 15 min gespielt, was länger war als erwartet. Da ich mit so etwas aber schon gerechnet hatte, war die Runde auf 4 Std angesetzt gewesen, sodass kein Zeitmangel entstand.

Das Abenteuer funktionierte wie erwartet. Nur musste ich feststellen, dass es für 5 Charaktere der 6. Stufe viel zu leicht ist. Es gab einen Aufwärmkampf mit 4 Tonkriegern und das war der mit Abstand schwierigste Kampf. Mein Vorschlag wäre: 3 Spieler der angegebenen Stufen (5 bis 8) oder bei mehr Spielern Stufe 3 bis max. 4. Oder man passt die Stärke und Menge an Gegnern an.

Um es aber festzuhalten: Die Gruppe war auch gut. Gifte wirkten nicht, ein Angriff wurde gar nicht erst ausgelöst und auch sonst waren sie effektiv. Wenn das anders läuft, kann auch eine Gruppe wie diese in Bedrängnis geraten. Ich wurde übrigens gebeten die fertigen Charaktere online zu stellen, was ich machen werde, sobald ich die kleinen Fehler ausgebessert habe, die von den Spielern entdeckt wurden.

Danach bin ich ins kleine Con-Kino gegangen und habe mir Soylent Green im Original angesehen. Der Film ist nach wie vor beeindruckend, auch wenn manche Szenen aufgrund seines Alters etwas naiv wirkten.

Das Tablequiz war wieder ein großer Spaß – und wir gewannen. Wir hatten zwar nicht die meisten Punkte, aber die bessere Gruppe bestand aus wesentlich mehr Leuten, weshalb uns der Sieg zugesprochen wurde. Das hauptsächlich von Pegasus gesponserte Spielepaket wurde aufgeteilt. Ich bin jetzt stolzer Besitzer von Krallen & Fallen – mal gucken, wie das ist.

Plötzlich war es kurz vor zwei. Ich habe mich noch eine Weile mit ein paar Freunden unterhalten und bin dann gefahren. Der Sonntag war dementsprechend etwas verpennt, aber das war es wert. Nächstes Jahr bin ich bestimmt wieder dabei.

Kampf als Krieg oder Kampf als Sport?

In letzter Zeit stoße ich immer wieder auf Augenöffner, die mir die Welt der Rollenspiele in neuem Licht zeigen. Obwohl der unten erwähnte Forumspost erst ein paar Tage alt ist, scheint er schon im kollektiven Unterbewusstsein der amerikanischen Rollenspielblogger angekommen zu sein. Auch für viele Leser hier ist er wahrscheinlich schon ein alter Hut und dafür entschuldige ich mich.

Auf Enworld erklärt der User Daztur, den Unterschied zwischen 4E-Kampf und Old-School-Kampf.

D&D 4E (und andere Rollenspiele) sieht Kampf als Sport. Jede Begegnung ist ausbalanciert. Alle Parteien haben die gleiche Gewinnchance, und es geht darum, seine Fähigkeiten möglichst geschickt einzusetzen, um zu gewinnen. Keine Seite hat die totale Übermacht, und die Chance, dass ein Kampf zu einem unfairen Gemetzel wird, bei dem die eine Seite hoffnungslos unterlegen ist (oder weglaufen muss), ist praktisch Null. Wenn die Charaktere in ein Dungeon gehen, wissen sie, dass die Gegner an ihre Gruppenstärke angepasst sind.

Old-School-D&D (und andere Rollenspiele) sieht Kampf als Krieg. Hier geht es nicht um einen fairen Kampf. Hier versucht jede Seite, die Chancen so zu ihren Gunsten zu verändern, dass der Kampf ein unfaires Gemetzel zu ihren Gunsten wird. Gegner können übermächtig oder total unterlegen sein. Im Megadungeon Barrowmaze wird OSR ganz im Zuge dieser Idee mit „Oh Shit! Run!“ übersetzt.

Sagen wir, die Charaktere – alle 1. oder 2. Stufe – wandern durch einen Dungeon in dem ein Gott der Untoten angebetet wurde. Plötzlich entdecken sie einen Raum, in dem 100 untote Skelette stehen und sich auf jeden Stürzen, der keine besonderen Erkennungsmerkmale trägt (so gesehen in einem Abenteuer von Matt Finch). Ihnen bleibt nur die Flucht und da sie nicht schneller als die Skelette sind und außerdem ermüden, müssen sie die Untotenarmee irgendwie ablenken zu anderen Gegnern locken oder ein gutes Versteck finden. Später kommen sie zurück und haben sich vorher das Erkennungsmerkmal besorgt. Sie legen magische Sprengfallen zwischen den Skeletten aus und gehen wieder raus, sprengen so die Armee bis auf ein oder zwei Exemplare und können diese ohne jede Schwierigkeit besiegen.

Bei Kampf als Sport wäre das undenkbar. Weglaufen ist keine Option, und eine solche Übermacht mitten in einem Dungeon niedriger Stufe würde als unfair angesehen. Bei Kampf als Krieg ist das normal.

Mischformen sind der Normalfall und praktisch kein Rollenspiel befindet sich 100 % im einen oder anderen Lager. Es geht um die Tendenz.

Die Unterscheidung erklärt viele Dinge, über die ich mich in meiner Gruppe gewundert habe, und macht für mich vielleichtden Unterschied zwischen Old-School-Spiel und D&D-4E-Spiel aus.

Gute Regeländerungen während des Spiels

Nicht nur die Diskussion mit Greifenklaue zeigt, dass jeder andere Vorstellungen von spontanen Regeländerungen während des Spiels hat. Wenn ich für die Goldene Regel eintrete, sollte ich auch Beispiele angeben, welche Art von spontanen Regeländerungen ich befürworte. Ich kann nicht beschreiben, welche ich ablehne, denn meiner Meinung nach ist jede spontane Regeländerung gut, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt aus den richtigen Gründen gemacht wird.

Erstes Beispiel

Letztes Jahr auf dem AdI-Con spielten wir Dread. Das erste Abenteuer hieß „Beneath the Metal Sky“ und ist eine Sci-Fi-Geschichte im Stil von Event Horizon und Alien. Ich berichtete davon.

[Achtung, Spoiler. Ich beschreibe ein mögliches Ende des Abenteuers.]

Irgendwann wollten die Charaktere mit einer selbstgebauten Bombe ein Raumschiff in die Luft sprengen. Sie fanden den Antriebsraum, bauten den Sprengsatz und brachten ihn an einem neuralgischen Punkt des Schiffes an. Dann mussten sie zu den Rettungskapseln, um rechtzeitig vom Schiff zu kommen. Es war das Showdown. Mit dem Entkommen vom Schiff würde das Abenteuer enden.

Normalerweise besagen die Regeln von Dread, dass ein Stein aus dem Jengaturm gezogen wird, wenn eine Handlung nicht automatisch gelingt (also wie beim Würfeln in anderen Rollenspielen). Wenn der Turm umfällt, ist die Figur, deren Spieler gezogen hat, aus dem Spiel.

Aber diese Aktion war entscheidend für den Verlauf des Abenteuers. Ich entschied also, dass nicht jetzt der Stein gezogen wird, sondern am Ende, wenn die Gruppe die Rettungskapseln erreicht. Es sollte der letzte Stein des Abenteuers werden. Außerdem legte ich fest, dass nicht nur diese Figur sterben sollte, wenn der Turm fällt, sondern die gesamte Gruppe. So ein Ende passt nicht nur zum Genre, sondern erhöht auch die Spannung, denn von nun an droht immer die Bombe im Hintergrund.

Der Stein wurde gezogen und der Turm fiel. Die Bombe explodierte zu früh und die Charaktere gingen zusammen mit dem Schiff in einem Flammenball unter. Was für ein tolles und passendes Ende …

Hätte das Abenteuer auch ohne diese Änderung funktioniert? Na klar. Wäre es auch spannend gewesen? Natürlich. Hat die Veränderung des Spiel verbessert? Auf jeden Fall! Wir hatten einen sehr dramatischen und sauspannenden Schluss, den ich nicht missen möchte.

Zweites Beispiel

Mein zweites Beispiel erlebte ich vor kurzem auf Hannover spielt! bei meiner Trail-of-Cthulhu-Runde. Ehrlich gesagt, kann man diskutieren, ob es eine Regeländerung im eigentlichen Sinne ist, aber sehr selbst:

Das Abenteuer „Devourers in the Mist“ ist eine Mensch-gegen-Natur-Geschichte, in der die Charaktere auf einer einsamen Insel stranden und es dort neben Hunger und Insekten mit übernatürlichen Gefahren zu tun bekommen. Die Gruppe war schon eine Weile auf der Insel und hatte zwei Messer gefunden.

In einer Szene wurden die Gestrandeten nachts am Lagerfeuer von fiesen Wesen überfallen. Bei meiner Rundfrage in der zweiten oder dritten Runde: „Was machst du?“, kam ich irgendwann bei der viel zu häufig ignorierten Tanja* an, die leider links neben mir im toten Winkel saß. Sie sagte, sie greife sich eine Waffe, um sich wehren zu können, wenn die Viecher zum Lagerfeuer kommen. Ich sagte: „Eines der Messer ist noch da, nimm doch das.“ Sie sagte, ja.

Vorher war ein wenig Chaos gewesen. Manche Charaktere waren früher aufgewacht als andere und hatten schon gehandelt. Einer war sogar schon mitten in einem Zweikampf, weil er Wache gehalten hatte und als erster reagieren konnte. Im Laufe der folgenden Runde musste ich feststellen, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Beide Messer waren schon vorher von anderen Figuren gegriffen und benutzt worden, im Kampfgetümmel war das nur irgendwie untergegangen. Ich entschied, dass – Logik hin oder her – für diesen Kampf drei Messer zur Verfügung standen. Wem hätte ich es auch wieder wegnehmen sollen?

Wenn auch keine echte Regeländerung, war es ein Entscheid, der gegen jede Logik etwas Neues ins Spiel brachte und nach der Szene auch wieder wegnahm. Es wurde kurz darüber gewitzelt, aber alle akzeptierten es, ohne zu murren. Für mich was es die beste Lösung.

*Name geändert, weil ich nicht einschätzen kann, ob sie es mögen würde, wenn im Internet über sie diskutiert wird.

Anmerkung: Sorry. Der Zeitstempel war falsch. Aus irgendeinem Grund war der 09.05. eingetragen. Da ich gern das echte Veröffentlichungsdatum angeben würde, habe ich den Zeitstempel geändert. Für etwaige Dopplungen im Feed oder sonstwo entschuldige ich mich.

Aspekte in Malmsturm

Oder in FATE. Aspekte sind nicht leicht zu begreifen, wenn man Fertigkeitslisten gewohnt ist.

Wunderbar erklärt Berin Kinsman (Unclebear) den Einsatz von Aspekten und damit gleichzeitig, warum Aspekte „mit Seele“ besser sind als ein Fertigkeitswert: Explaining FATE Aspects.

Irgendwo gab es einen Blogeintrag, in dem der Autor nicht verstand, warum Schicksalspunkte für Aspekte ausgegeben werden müssen. Ich war kurzzeitig nicht sicher, wie ich hätte antworten können, und ließ es. Doch eigentlich ist es einfach: Aspekte können sehr breit sein („Für die Ehre von Sturmfels!“) oder relativ eng („Flinkfinger“). Durch die Schicksalspunkte wird dafür gesorgt, dass trotzdem beide Spieler ihre Aspekte gleich häufig einsetzen können. Nur wenn ein Aspekt auch Nachteile mit sich bringt, kann ein Spieler häufiger auf seinen Aspekte zurückgreifen, weil ins Spiel gebrachte Nachteile Schicksalspunkte bringen.

On Playtesting

James Raggi IV hat mal wieder ein paar schlaue Beobachtungen gemacht. In diesem Blogpost hat er eine Meinung zu Lovecraft in D&D, zu der Idee, dass sich die OSR von den reinen Retroklonen wegbewegen sollte und zu Spieltests.

Als regelmäßiger Rezensent bin ich schon auf die Meinung gestoßen, dass man ein Rollenspiel, um etwas vernünftig beurteilen zu können, gespielt haben müsse. Normalerweise werden solche Meinung in Diskussionen verbreitet, die aus einem Verriss entstanden sind, den irgendjemand nicht nachvollziehen kann. Dieser Meinung bin ich nicht, ja ich halte es sogar für undurchführbaren Blödsinn. Um das genau zu erläutern, müsste ich sehr tief in meine Rezi-Philosophie einsteigen und erklären, was ich für gute und was ich für schlechte Rezis halte, aber allein die Durchführbarkeit sollte schon Aussagekraft genug haben: Wie viele Rezis würde es wohl geben, wenn alles vorher gespielt werden müsste – und wie lange würde es dauern, bis die erste Rezi zu einem neuen Produkt erscheint?

Ich kann mir aber gut vorstellen, woher die Meinung kommt. Raggis Post geht um Spieltests für Veröffentlichungen, aber die Problematik ist die gleiche. Ein Spieltest ist nur ein Ausschnitt von eingem riesigen Ganzen. Er kann, ist er gut gemacht und – viel wichtiger – wird er richtig bewertet, sehr zur Qualität eines Produktes beitragen bzw. eine qualifizierteres Meinungsbild vermitteln. Aber im Rollenspiel gibt es unendlich viele Möglichkeiten, wie ein Spiel laufen kann. Zu viele Faktoren spielen neben dem reinen Regel-/Abenteuertext eine Rolle. Selbstbetrug (die Diskrepanz zwischen dem, was ich glaube, was ich mag/wie ich mich verhalte, und dem was ich wirklich mag/tue), Erwartungshaltung und Tagesform spielen eine viel zu wichtige Rolle, da hilft ein einzelner Spieltest auch nicht weiter.

Veröffentlichungen kommen ganz ohne Spieltest nicht aus, aber auch noch so viele Tests können nicht verhindern, dass ein Produkt für manche Gruppen einfach nicht taugt.

Wie Struktur das Spiel verbessert – Trail of Cthulhu

Seit ich das erste Mal etwas über das „Gumshoe“-System gelesen habe, möchte ich es ausprobieren, und nun, endlich, hatte ich Gelegenheit dazu. Auf dem Auf-den-Inseln-Con 2010 spielten wir ein einfaches Abenteuer mit „Trail of Cthulhu“ (Cthulhu-Rollenspiel auf Basis von „Gumshoe“) und ich war begeistert – begeistert genug, um hier darüber zu berichten und zu erklären, warum ich das System für gelungen halte.

Die erste Reaktion auf „Gumshoe“ oder „Trail of Cthulhu“ ist normalerweise Skepsis. „Das System repariert etwas, das nicht kaputt ist“, höre ich immer wieder, und wirklich scheint das System gar nicht nötig zu sein, wenn man als Spielleiter ein wenig Erfahrung an den Tisch bringt. Wie sich herausgestellt hat, verbessern diese „Reparaturen“ das Spiel aber erheblich.

Die Idee hinter dem System ist folgende: In Detektivabenteuern geschieht es immer wieder, dass die Charaktere nur dann eine Information erhalten, wenn ihnen eine passende Fertigkeitsprobe gelingt. Das ist das Grundprinzip fast aller Rollenspiele: Ist der Ausgang unklar, würfele. Robin Laws, der Autor des  „Gumshoe“-Systems, findet aber, dass das in diesem speziellen Fall blöd ist. Wenn eine Probe vergeigt wird, bekommen die Charaktere die Info nicht und das Spiel stoppt, oder der Spielleiter muss sich winden, um den Charakteren die Info doch noch irgendwie zukommen zu lassen. Mit seinem Gumshoe-System behebt er das Problem, indem er festlegt: Wer eine passende investigative Fertigkeit besitzt, bekommt auch die Info. Punkt. Kein Würfeln, keine Rückfragen. Die Spielfiguren haben zusätzlich Punkte in den Fertigkeiten, die sie einsetzen können, um tiefergehende Infos zu bekommen.

Prinzipiell hätte ich den Skeptikern vor dem Spieltest Recht gegeben. Ich spiele detektivische Abenteuer normalerweise mit dem Cthulhu-System, irgnoriere die Regeln aber weitestgehend. Gewürfelt wird im Kampf oder bei Verfolgungsjagden (auch im Gumshoe-System wird bei normalen, nicht-investigativen Fertigkeiten gewürfelt) und immer mal wieder eine Probe auf „Verborgenes erkennen“ oder „Bibliotheksnutzung“, einfach weil Spieler gern würfeln. Wenn es darauf ankommt, eine wichtige Info zu bekommen, lasse auch ich nicht würfeln. Irgendwie bekommen sie sie.

Bei unserem Testspiel stellte sich aber heraus, dass es ein ganz anderes Spielgefühl ist, wenn man die Fähigkeiten auf seinem Charakterbogen auch beim Detektivspiel versuchen muss, möglichst gewinnbringend einzusetzen. Es war schon cool, als ein Mitspieler beim Ausfragen des Kindermädchens irgendwann nicht weiter kam und klar wurde, dass eine „härtere Hand“ benötigt wird, und meine Figur mit der Fertigkeit „Verhören“ dann doch Ergebnisse erzielte. Glaubt es oder glaubt es nicht, aber der Kick eine Info schließlich bekommen zu haben, ist wirklich ein ganz anderer. Es kommt auf diese Weise ein kleines taktisches Element zur Hinweissuche, das mir ausgesprochen viel Spaß gemacht hat.

Doch damit hören Laws‘ Gedanken zum Detektivgenre nicht auf, auch den Aufbau von entsprechenden Abenteuern beleuchtet er. In jeder Szene gibt es einen, selten auch mal zwei oder drei „Core Clues“, Hinweise, die benötigt werden, um mit dem Abenteuer weiterzumachen – sprich, sie schicken die Charaktere zur nächsten Szene. Für die „Core Clues“ müssen die Charaktere niemals Punkte ausgeben. Daraus ergibt sich meist ein recht gradliniger Abenteueraufbau: Szene 1 => Core Clue schickt zu Szene 2 => Szene 2, etc.

Auch hierbei gibt es häufig Stirnrunzeln: Ist das nicht Railroading? Wird das nicht schnell langweilig? Nein! Beides nicht – und ich habe jetzt am eigenen Leib erfahren, dass diese Aufbau nicht nur funktioniert, sondern das Abenteuer erheblich bereichert. In einem Detektivabenteuer geht es darum, die Hinweise zu entschlüsseln, die Spieler folgen also freiwillig dieser Perlenschnur von Hinweisen (also kein Railroading) und durch die jeweils neuen Rätsel sollte es auch nicht so schnell langweilig werden.

Ich bin ein fauler Spieler. Wenn ich normalerweise mit Detektivabenteuern konfrontiert werde, verliere ich schnell die Lust, mir die ganzen Namen aufzuschreiben, die Hinweise zu notieren oder gar zwischen den Spielsitzungen zu merken. Normalerweise überlasse ich recht schnell den anderen Spieler das Ruder und schwimme mit dem Strom mit, greife nur die Hinweise auf, die offensichtlich sind und bringe mich lieber im Showdown ein. Der Aufbau von Gumshoe-Abenteuern sorgt einerseits dafür, dass die Abenteuer strukturell einfacher werden und andererseits, dass man als Spieler in jeder Szene weiß: Ich bekomme meinen Hinweis, wenn ich nur lang genug suche. Für mich war das eine Offenbarung. Ich bin viel begeisterter hinter Hinweisen hinterhergerannt, habe Leute ausgefragt und Räume untersucht.

Es gibt noch einen kleinen Clue bei Gumshoe: Die Scene-Karte. Haben die Spieler alle Hinweise in einer Szene erhalten und drohen sie sich in unwichtigen Details zu verrennen, hält der Spielleiter eine Karte in die Luft auf der steht: „Scene“. Die Karte kam bei uns diverse Male zum Einsatz, hielt das Spiel jederzeit am Laufen und verhinderte jede Form von Langeweile. Tolle Sache.

Das verhindert nicht 100%ig, dass die Gruppe stockt, wir haben beispielsweise einen der „Core Clues“ einfach vergessen und mussten vom SL auf ihn gestoßen werden, aber insgesamt lief es runder und übersichtlicher als praktisch jedes anderen Detektivabenteuer, das ich bisher spielte. „Trail of Cthulhu“ und „Gumshoe“ im Allgemeinen wurde spontan zu meinem favorisierten Detektivsystem. Ich konnte der Story problemlos folgen und ich hatte Spaß daran! Ich konnte mit Hilfe der Fähigkeiten meines Charakters Hinweise finden und das Finden selbst wurde zu einem taktischen Element, ohne dass es das Rollenspiel im Mindesten eingeschränkt hätte (ein weiterer Pseudo-Kritikpunkt an Gumshoe: Die Leser haben Angst, dass das Spiel zu einem Abarbeiten von Fertigkeiten verkommt – dem ist nicht so). Die Struktur hat das Spiel verbessert.

Mein Fazit nach dem Spieltest kann nur lauten: Ja, ein erfahrener Spielleiter benötigt die Hilfestellungen von „Trail of Cthulhu“, „Mutant City Blues“, „The Esoterrorists“ u. a. nicht, aber sie verbessern das Spiel. Ich könnte mit ihrer Hilfe zum Fan von Detektivabenteuern werden – etwas, das ich nie für möglich gehalten hätte.

Um es im Stil eines anderen auszudrücken: AUSPROBIEREN! AUSPROBIEREN! AUSPROBIEREN!

TSR hat D&D kaputtgemacht

Bei vielen „Mitgliedern“ der OSR heißt es, dass TSR mit dem Herausbringen von AD&D 2nd Edition und dem Umschwenken auf „Story“ in ihren Veröffentlichungen eine falsche Richtung eingeschlagen, ja sogar D&D „kaputtgemacht“ hat. Dragonlance ist die Saat allen Bösen.

Ron Edwards behauptet etwas Ähnliches von White Wolf: Mit ihrer Storyteller-Reihe haben sie bei den Rollenspielern einen Hirnschaden verursacht, sagt er, wonach nun alle Rollenspieler glauben, eine Geschichte müsste geplant und nach Schriftstellerregeln erarbeitet werden, um am Spieltisch zu funktionieren – und dass eine „Geschichte“ essenziell für den Spielspaß ist.

Blödsinn, sag ich! Große Rollenspielfirmen (die bösen, geldgeilen Mistkerle!) sind also schuld daran, dass … ja, woran denn überhaupt? Dass sich Rollenspiel in den 80ern verändert hat? Dass irgendetwas „kaputtgegangen“ ist?

Rückwirkend lässt sich so etwas immer leicht behaupten. Aber, Leute, seid doch mal ehrlich: Das war genau das, was wir alle wollten. „Hack’n’Slay“ war ein Schimpfwort! Wir fanden Dungeons langweilig, reines „Monsterbashen“ doof. Jaja, es gab Ausnahmen, aber die meisten wollten „Story“ planbar an ihren Spieltischen erleben.

Da ist nichts kaputtgegangen. Ich behaupte, diese Entwicklung war nötig und richtig, nicht nur, damit unser Verständnis von Rollenspiel dorthin gelangen konnte, wo es heute ist, sondern auch damit Rollenspiel den Erfolg erzielen konnte, den es in den 80ern hatte. Ohne diesen Schritt, wäre Rollenspiel vielleicht schon lange tot, weil nicht genügend Leute darauf aufmerksam geworden wären, um sich heute noch zu erinnern.

Das gleiche gilt übrigens auch für die Theorien von „The Forge“ und die hochspezialisierten Indie-Spiele. Es gilt für die Entwicklung hin zu komplexen Regeln im Gegensatz zur Do-it-yourself-Einstellung der frühen Spiele;es gilt sogar für die OSR.

Ihr findet Bewegung X oder Entwicklung Y doof? Nehmt sie als etwas hin, das nötig ist auf dem Weg der Weiterentwicklung. Die guten Ideen werden sich durchsetzen und die schlechten in Vergessenheit geraten oder irgendwann als schlecht entlarvt und verdrängt.

Ich fühle mich rattig

Ich hatte vor kurzem endlich Gelegenheit, „Ratten!“ auszuprobieren und war so angetan, dass ich beschloss eine Spieltestrezension zu machen, obwohl das Spiel schon so alt ist.

„Ratten!“, entwickelt vom Projekt Kopfkino und verlegt von Prometheus Games, war ein Überraschungserfolg. Wer konnte ahnen, dass ein kleines Rollenspiel, in dem man die Rollen von Ratten übernimmt, die in einem verlassenen Kaufhaus wohnen, so gut bei den Spielern ankommen würde? Ohne Frage wurden die Grufti-Community und (Ex?-) Vampire-Spieler angesprochen, aber dennoch… Ratten?

Das Spiel ist kurz, ein dünnes Buch in DIN A5 mit großer Schrift, einfachen Regeln und mehr Andeutungen als echten Details. Den ersten Quellenband, „Ratten!!“ (mit zwei Ausrufungszeichen) und den ersten und bisher einzigen Abenteuerband „Bissige Zeiten“ habe ich bereits rezensiert. Außerdem findet man diverse kostenlose Downloads auf der Projekt-Kopfkino-Webseite. Die Bebilderung aller drei Bücher ist fantastisch und trägt sicher stark zum Erfolg der Reihe bei. Die Ratten sind irgendwo zwischen eklig und niedlich, teilweise gruselig. Man kann nur Hochachtung vor den Grafikern haben, die so formidabel die Stimmung des Spiels einfangen.

Ich war erstaunt, wie gut das Spiel funktioniert. Dabei ist es bei weitem nicht fehlerfrei. Wie ich schon den beiden anderen Ratten-Büchern anmerkte, ist es ein liebevolles Hobbyprodukt, das durchaus auch schwache Formulierungen oder einer holprigen Regel aufweist. Regeln und Welt weisen Lücken auf, die von den Spieler und Spielleitern gefüllt werden müssen. Aber „Ratten!“ hat Charme. Die Liebe des Entwicklerteams zu seinem Produkt sprudelt aus jeder Zeile.

Eine Ratte besteht aus vier Eigenschaften (Schnell, Stark, Sozial und Clever) mit einem Wert von 1 bis 3, ein paar Lebenspunkten und Zusatzfertigkeiten. Jeder der Nager gehört zu einer Rotte, den „Clans“ oder „Splats“ der Rattenburg. Die Rotten sind liebevoll ausgewählt, benannt und bebildert. Außerdem hat jede Spielfigur ein paar Lebenspunkte und besondere Fertigkeiten, die entweder gewählt werden können oder sich aus der Rotte ergeben.

Wenn eine Probe gewürfelt werden muss, wählt der Spielleiter zwei Eigenschaften (auch zweimal die gleiche). Der Spieler zählt die Werte zusammen, woraus sich eine Zahl zwischen 2 und 6 ergibt. Das ist die Anzahl an W6, die gewürfelt werden. Nur die beiden höchsten Würfel zählen und mit ihnen muss ein Mindestwurf überschritten werden. Im Kampf gibt es einen Angriff und eine Abwehr und das höhere Ergebnis gewinnt. „Stark“ ergibt den Schaden.

Einfacher geht es kaum. Wie man sich aber denken kann, würfelt eine Ratte auch schon mal 6W6 (einen Wert von drei in einer der Eigenschaften kann man auch schon bei der Charaktererschaffung haben), was sehr häufig zu Probenergebnissen von 11 oder 12 führt. Ich fand die Proben teilweise zu einfach und auch die Weiterentwicklungsmöglichkeiten sind ist dadurch eingeschränkt. Auf der anderen Seite ist Ratten ein Indie-Spiel für Zwischendurch, da sollte es nicht stören, wenn auch Anfängercharaktere schon sehr kompetent in ihren Spezialgebieten sind.

Bei uns am Tisch hat aber besonders die Darstellung der Rattenwelt viel Spaß gemacht – Kleinigkeiten, die das Spiel vom normalen „Fantasykram“ abheben. Der Ruf einer Ratte ist in der Rattenburg (das Kaufhaus) das Wichtigste. Es werden Lieder über sie gesungen (was sich auch in den Regeln wiederspiegelt und das eigentliche „Aufsteigen“ der Ratten zwischen den Abenteuern darstellt). Außerdem hat eine Ratte ein oder mehrere Namen – je mehr desto berühmter ist sie. Es gibt auch Schmähnamen, wenn mal etwas schiefläuft. Die Namen sind für das Spiel eine tolle Sache: Zum einen wissen die Charaktere schon etwas über ihre Gegenüber, wenn sie nur die Namen kennen (Narbenrücken Krabblerschlächter ist ein ganz anderer Gegner als Fusselfuß Spitznase) und zum anderen ist es toll, wenn man sich als Belohnung für eine besonders tolle Situation im Spiel einen passenden Namen zulegen darf.

Auch die Namen der Gegner und Gegenstände sind witzig und stimmungsvoll gewählt: Kakerlaken sind Krabbler, Katzen Schleicher und eine Brille wird, wenn ich mich recht entsinne, als Hartluft bezeichnet.

Wir hatten sehr viel Spaß am Spieltisch, freuten uns über unsere Darstellung der Ratten – wir waren sofort in unseren Rollen drin – und die Darstellung des Spielleiters der Welt. „Ratten“ hat seinen Erfolg absolut verdient: Kostenlos oder als günstiges Taschenbuch, nett gemacht und hübsch anzusehen mit viel Charme – was will man mehr.