[Rezi] Splittermond Einsteigerbox

[Uhrwerk Verlag, Regelwerk, Sprache: Deutsch, 24,95 €]SpliMo-Box-3D2

„Blau macht schlau“, könnte man sagen, wenn man die Ankündigung der Splittermond Einsteigerbox betrachtet. Eine kleine Box soll Anfängern das blaue Fantasyrollenspiel aus deutschen Landen näher bringen. Ob die Box etwas taugt?

Einsteigerprodukte vermitteln manchmal den Eindruck, es handele sich um verkaufte Werbung. Nicht so bei dieser Box. Die „Splittermond-Einsteiger-Box“ ist prall gefüllt mit Material, das mehrere Monate Spielspaß verspricht und von der ersten (naja, zweiten) Seite an klarmacht, dass es ein vollwertiges Produkt sein will – weit mehr als nur Werbung zum Anfüttern. Die kleine A5-Box enthält viel Papier: Fünf Hefte mit bis zu 70 Seiten, Bögen mit fertigen Charakteren, mehrere Regel-Kurzübersichten für die Spieler, leere Charakterbögen, eine Tickleiste mit Landkarte auf der Rückseite und Spielmarker. Außerdem liegen fünf splitterblaue Würfel in der Box: 2W6 und 3W10. Warum es 3W10 sind, erschließt sich mir allerdings nicht, denn man benötigt entweder zwei oder vier zehnseitige Würfel für einen Wurf, nie jedoch drei. Vielleicht – ich rate hier sozusagen „ins Blaue“ – ist der aktuelle Uhrwerk-Promowürfel zufällig ein W10, dann könnte man den fehlenden Würfel auf Messen kostenlos zum Kauf dazubekommen.

Splitterbox1Die Hefte sind so konzipiert, dass sie einem Rollenspielanfänger den Weg ins beste Hobby der Welt (TM) so einfach wie möglich machen. Das gelingt erstaunlich gut. Der Box gelingt der Spagat, sowohl den Leser bei der Hand zu nehmen, ihn aber nicht gleichzeitig wie einen „dummen Neuling“ zu behandeln. Sie nimmt den Leser ernst.

Obenauf liegt ein Blatt, das erklärt, womit der Leser am besten beginnt. Namentlich ist das „Der Pfad durchs Seelenmoor“, ein 16-Seiten-Heft mit einem Soloabenteuer. Das Abenteuer enthält keine Spielwerte und verlangt keine Würfelproben; es ist allein zur Einstimmung gedacht. Hat sich der Leser durch die grausigen Klischees der ersten Abschnitte gekämpft, erlebt er die kurzweilige Geschichte von einer Monsterjagd durchs Moor. Die Prosa ist teilweise so furchtbar wie der Einstieg, wir erwarten aber auch keinen Shakespeare, sondern einen Einblick in die Welt von Splittermond. Insgesamt ist es das schlechteste Heft der Box, aber auch das einzige, das der Leser wirklich nur einmal benötigt und anschließend ohnehin irgendwo ganz unten in der Box vergräbt.

Als nächstes soll sich der Spielleiter das dickste der Hefte schnappen. „Kettenrasseln“ ist eine kleine Abenteuerkampagne mit vier Kapiteln. Das erste Abenteuer kann gespielt werden, ohne dass weitere Hefte benötigt werden – das war zumindest der Plan. Eine Mine ist eingestürzt und die Charaktere sollen eine Gruppe von Minenarbeitern retten, die verschüttet wurde. Natürlich gibt es auch Monster und ein Geheimnis, das es zu entdecken gilt. Das Abenteuer ist gut gemacht. Leider wird für den Kampf zwar alles erklärt, dann aber kommentarlos die komplette Wertebox für das Monster mit all seinen Abkürzungen angegeben. Dem Neuling bleibt also nichts übrig, als doch ins Regelheft „Die Regeln von Splittermond“ zu gucken, um die Box zu verstehen. Zauberei wird auch nicht erklärt – also ein zweiter Blick ins Regelheft. Das ist zwar schade, tut der Qualität des Abenteuers aber ansonsten keinen Abbruch. Bevor sich die Gruppe an den Rest der Kampagne macht, müssen die Regeln ohnehin gelesen werden. Das Abenteuerdesign bleibt gelungen. Die Geschichten sind spannend und so strukturiert, dass sie den Leser bei der Hand nehmen, ohne in zu gängeln. Man muss der Splittermond-Crew zu dem schönen Heft gratulieren.

Splitterbox2Das Lesevergnügen geht mit „Die Abenteurer von Splittermond“ und „Die Regeln von Splittermond“ weiter. In „Die Abenteurer“ wird die Charaktererschaffung erklärt. Man baut die Figur aus so genannten Modulen zusammen. Das scheint sich von den vollständigen Regeln zu unterscheiden. Ein genauer Vergleich ist mir nicht möglich, aber die Erschaffung funktioniert und gibt eine Menge Optionen, sodass niemand etwas vermissen sollte. Die wichtigsten Rassen und Kulturen werden natürlich erklärt. Die spätere Steigerung geht bis Grad zwei. Das klingt zwar zunächst enttäuschend, doch bedeutet es ca. 10 bis 20 Spielabende mit der Option auch nach Erreichen des zweiten Grades noch eine Weile weiterzumachen, bevor die Figuren Grad drei erreichen. Die Werte einer Figur verändern sich kontinuierlich und selbst in den vollständigen Regeln geht die Steigerung nur bis Grad vier. Es wird also eine Menge geboten.

Das Heft „Die Regeln von Splittermond“ erklärt die Fertigkeiten und Zauber, den Kampf und normale Proben. Die Regeln sind nicht kompliziert aber alles andere als simpel. Proben werden mit 2W10 plus Fertigkeitswert gegen Mindestwurf durchgeführt. Man kann auch mit 4W10 würfeln, was die Siegeschancen erhöht, aber auch massiv die Gefahr eines Patzers. In den Fertigkeiten kann man Meisterschaften erlangen, was wiederum besondere Fähigkeiten verleiht. Es gibt außerdem zehn Seiten mit Zaubersprüchen. Die Auswahl dürfte für eine Weile Spielspaß ausreichen. Nur bei den Regeln für „Fokus“ haben die Splittermondler etwas übertrieben. Fokus ist die Entsprechung von Astralenergie. Es gibt aber nicht nur eine Art, ihn zu verbrauchen, sondern gleich drei verschiedene. Ich verstehe ja den Drang, es anders als bei DSA machen zu wollen, aber wenn kryptische Zahlen-Buchstaben-Kombinationen ins Spiel kommen, schießt das etwas über das Ziel hinaus. Um fair zu bleiben: Am Ende ist es nicht wirklich kompliziert, aber ich hätte etwas Eingängigeres bevorzugt.

Es bleibt „Die Welt von Splittermond“. Los geht es mit der Beschreibung der Spielleiteraufgaben und Tipps, wie man diese handhaben sollte. Für alte Hasen ist das alles nichts Neues, aber Einsteiger finden eine kurze und knackige Zusammenfassung für das Spielleiten. Eine Beschreibung der Welt Lorakis füllt den Rest des Heftes. Der allgemeine Überblick bleibt kurz. Man fokussiert sich stattdessen auf die Gegend, in der die Kampagne „Kettenrasseln“ spielt. So erhält der Leser einen Überblick und genug Material zum Spielen, wird aber nicht von Details erschlagen. Jeder Leser hat seine eigenen Vorstellungen, was er hier gern über Lorakis lesen würde, im Zuge einer Einsteigerbox ist es aber absolut sinnvoll, sich auf die Kampagne zu konzentrieren. Monster gibt es natürlich auch.

Grafisch ist die Box hervorragend. Sie ist einfach hübsch. Die Bebilderung orientiert sich eher an Pathfinder als an DSA. Sie ist bunt und dynamisch. Landschaftsbilder wollen beeindrucken. Einige Bilder werden allerdings zu häufig recycelt. Die Zombiefratze auf der Rückseite von „Kettenrasseln“ findet sich beispielsweise viermal in den Heften. Man mag das verzeihen, wenn Hefte und Box hübsch aussehen und Textwüsten selten bleiben.

Fazit: So soll ein Einsteigerprodukt sein. Die Box liefert genug Material, um viele Spielabende zu füllen. Sie vereinfacht die Regeln, ohne sie zu versimpeln. Die Kampagne ist gut gelungen. Für nur 24,95 € bekommt der Käufer eine prallgefüllte Box, die einfach Spaß macht. Die vereinfachten Regeln sind für meinen Geschmack wahrscheinlich besser geeignet als die „richtigen“ Regeln. Nun wünsche ich mir eigentlich nur noch ein Folgeprodukt, das höhere Stufen erlaubt und eine weitere Kampagne liefert. Man darf ja träumen …

[Diese Rezi erschien im Ringboten.]

Veröffentlicht am 25. September 2015 in Rezensionen und mit getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für [Rezi] Splittermond Einsteigerbox.

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