Der Megadungeon Dwimmermount beeindruckt nicht nur durch seine Größe

IMG_1288Scheinbar unendlich lange hat es gedauert, bis das Kickstarter-Projekt Dwimmermount endlich abgeschlossen wurde. Völlig beendet ist es immer noch nicht, aber es fehlen nur noch Kleinigkeiten.

James Maliszewski, Autor des Blogs Grognardia, Old-School-Verfechter und Rollenspielhistoriker, stampfte das unglaubliche Projekt vor einigen Jahren aus dem Boden. In dem Versuch einen Megadungeon ganz im Sinne der Vorväter unseres Hobbys zu erschaffen, erfand er Dwimmermount: 13 Level Dungeon in einem im ausgehöhlten Berg, ganz unten eine uralte Stadt. Er führte viele Runden dort hinein, auf Cons, zu Hause in einer sich wöchentlich treffenden Gruppe und bei jeder anderen Gelegenheit. Und er schrieb von seinen Erfahrungen: Was er lernte, wie er vorging und wie der Berg lebte. Sein Blog war einer der Größten der OSR (Old-School Renaissance). Maliszewski war eine Art Superstar der Szene. Dementsprechend viel Aufmerksamkeit bekam Dwimmermount.

In seinen Blogposts wurde Maliszewski nicht müde zu betonen, dass man eine solche Kampagne nicht aufschreiben könne. Der Dungeon lebt. Nur so kann ein Megadungeon funktionieren. Sobald man ihn aufgeschriebe – mehr als nur ein paar veränderbare Stichworte in einem College-Block – würde er statisch und somit nicht mehr das, was ihn ursprünglich ausmacht. Wie es die Natur der Sache ist, wenn jemand nur lange genug von Fans gelagert wird, die etwas kaufen wollen, wurde auch Maliszewski irgendwann schwach. Er hatte schon vorher Rollenspielbücher geschrieben, kannte sich also etwas aus. Kickstarter gab den letzten Ansporn und so wurde eine entsprechende Kampagne ins Leben gerufen. Fast 50000 $ brachte das Projekt ein. Während dieser Zeit wuchs es: Es gab mehr Level, ein Booklet mit Illustrationen, ein weiteres mit den Karten und weitere kleine Dinge wie laminierte Karten u. a.

Die ersten Updates nach Beendigung der Kampagne waren noch vielversprechend, irgendwann war allerdings nicht mehr zu übersehen, dass Maliszewski sich übernommen hatte. Dann wurde sein Vater krank und lange Zeit konnte er nichts für das Projekt tun, schließlich so lange, dass es begann Kritik zu hageln. Schlussendlich konnte er sich aufraffen und gab das Projekt an den kleinen Verlag Autarch ab, der bereits ein paar hervorragende Bücher produziert hatte. Zunächst behielt er die Rechte und wollte das Buch selbst beenden – vermutlich in der Hoffnung, dass eine führende Hand, ihn zurück auf den produktiven Weg führte – doch nach einigen Monaten war klar, dass auch das nichts werden würde. Maliszewski hatte sich komplett aus der Online-Szene zurückgezogen, keine Blogposts mehr geschrieben, nichts. Meine persönliche Theorie ist, dass er durch die familiäre Belastung und den Druck der Fans der Situation einfach nicht gewachsen war. Er wollte Dwimmermount beenden, da bin ich mir sicher. Schlussendlich gab er die Rechte und das Geld an Autarch ab. Der Verlag kämpfte lange mit dem halbfertigen Riesenprojekt, doch schließlich fast zweieinhalb Jahre nach Beendigung der Kickstarter-Geld-Sammlung, konnte man das erste fertige PDF bewundern. Die Energie und Begeisterung um das Projekt waren jedoch längt verflogen.

Ich halte das Buch seit ca. einer Woche in Händen. Ich hatte den Kickstarter damals unterstützt. Heute würde ich das nicht mehr tun. Der Hype ist vorbei und genügend andere Megadungeons hatten meinen Weg gekreuzt, um den Bedarf zu decken. Jetzt, da ich das Buch auf dem Tisch liegen habe, bin ich allerdings doch froh, es zu haben. Es hat klassische Print-on-Demand-Qualität, wie man es von Drivethru und Lulu.com gewohnt ist (alles der gleiche Drucker). Leider schließt das auch die typische Sollbruchstelle bei PoD-Hardcovern ein: Das Vorsatzpapier war in der Falz praktisch schon durchtrennt, nachdem ich das Buch einmal aufgeschlagen hatte. Eine Reparatur mit durchsichtigem Klebeband war aber nicht schwer und jetzt ist das Buch stabil und sieht auch noch recht gut aus. Inhaltlich findet man eine kleine „Sandbox“ und viele Hundert Raumbeschreibungen. Auf Übersichtlichkeit und Benutzbarkeit wurde großen Wert gelegt. Es gibt beispielsweise eine nummerierte Faktenliste und lange Anhänge und Hintergrundkapitel. Der Dungeon lebt und sollte auch so gespielt werden, diverse Tabellen und Listen helfen dabei. Für mich persönlich ist aber die Ausrichtung von Dwimmermount der spannendste Teil. Wie Maliszewski anstrebte, ist Dwimmermount ein Kampagnensetting geworden. Die Spieler leben in einer Welt, die es zu erforschen gilt. Erforschung ist das zentrale Thema. Die Spieler können nach und nach alles über den Werdegang des Berges erfahren, wenn sie sich nur lange genug darin aufhalten und es überleben. Maliszewski baute Dwimmermount nach dem „Pillar“-Prinzip: Der Berg und die Höhlen darin sind der zentrale Pfeiler des Settings. Die Charaktere können jederzeit dorthin gehen und sie erforschen, sie können sich aber auch anderen Abenteuern widmen. Im Hintergrund ragt allerdings immer der Berg mit seinen Geheimnissen auf und lockt sie mit Schätzen in seine Fänge. Sobald sie wieder soweit sind, heißt er sie Willkommen und versucht sie zu vernichten.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Dwimmermount nie spielen werde. Ich habe weder eine Gruppe, die eine derartige Kampagne mögen würde, noch bin ich sicher, ob ich selbst Lust darauf hätte. Kleinere Dungeons gepaart mit dungeonfreien Abenteuern sind mir eigentlich lieber. Um das Old-School-Spiel zu verstehen und als RPG-historisches Artefakt, ist Dwimmermount allerdings kaum zu überschätzen. Man kann nur hoffen, dass sich viele Gruppen finden, die „Mega“ und „Forschung“ mögen und Dwimmermount durch ihre Anwesenheit mit Leben füllen. Das Setting hätte es verdient.

Veröffentlicht am 10. Oktober 2014 in Rezensionen und mit getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für Der Megadungeon Dwimmermount beeindruckt nicht nur durch seine Größe.

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