Der Hexer von Salem

Der Hexer von SalemInsgesamt scheint sich „Der Hexer von Salem“ nicht allzu großer Beliebtheit zu erfreuen. Ich kann mir zwar denken, woran das liegen könnte, doch eigentlich hat das Action-Cthulhu-Regelwerk etwas besseres verdient

Ich erfuhr vom Hexer durch eine Mail, in der Autoren für das Buch gesucht wurden. Ein Rollenspiel, das auf den „Hexer von Salem“-Romanen von Wolfgang Hohlbein basiert und – natürlich – die Cthulhuregeln benutzt – ich war spontan begeistert.

Vor vielen Jahren habe ich mit großem Vergnügen ein paar der Romane gelesen, allerdings bin ich da noch zur Schule gegangen. Meine Hohlbein-Phase ist seitdem lange vorbei und ich empfinde die Romane heute als oberflächliches Geschreibsel bestenfalls und langweiligen Mist schlimmstenfalls. Doch als Rollenspiel ist die Welt des Hexers optimal geeignet. Für ein Rollenspiel sind all die Dinge gut, wegen derer ich die Romane nicht mehr gern lese: Die allzu klare Gut-Böse-Trennung und die teilweise unnötige Action und oberflächliche Handlung, all das sind Dinge, die man selbst in den „künstlerischsten“ Rollenspielen findet. Sie gehören einfach zum Spiel dazu und sind ein Quell für viel Spaß. Pulp eben. Rollenspiel ist Pulp!

Ich wollte gern an dem Buch mitarbeiten, hatte aber keine Lust die ganzen Hexer-Romane noch einmal zu lesen. Also bot ich mich an, einen Artikel über Pulp und einen weiteren über die Kunst des Beschreibens im Rollenspiel – auch in Hinblick auf ein schnelles Pulp-Spiel natürlich – zu schreiben. Beide Artikel sind im Spielleiterkapitel zu finden. Später wurden Autoren gesucht, die Abenteuer verfassen, und auch dafür bot ich mich an. Heiko schickte mir alle für seine Themenvorgaben benötigten Kapitel aus dem Buch, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschienen war, und ließ mich werkeln. Das so entstandene Abenteuer „Tage des Mondes“ erscheint innerhalb der nächsten Tage.

Für die Vorbereitung des Abenteuers holte ich meine alten Hexer-Bücher mal wieder aus dem Schrank. Die Geschichten langweilten mich immer noch, aber in Hinsicht auf Rollenspielmaterial sind sie großartig: massenweise Ideen und gefährliche, böse und vor allem denkende Gegner. Das ist auf seine Weise viel besser als die gleichgültigen Monstren aus dem originalen Cthulhuspiel, denn Gegner mit einer nachvollziehbaren Motivation lassen sich im Rollenspiel einfacher einsetzen. Sie sind beeindruckender. Nebenbei habe ich auch mal wieder gesehen, warum Hohlbein inzwischen massenweise dicke Hardcoverbücher produziert und Jason Dark eben nicht. Er weiß schon zu schreiben, der gute Mann, auch wenn mir sein Erzählstil nicht gefällt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber immer noch nicht das eigentliche Regelbuch gelesen. Das kam viel später. Ich hatte mir voller Spannung mein Belegexemplar auf der Spielemesse in Essen abgeholt, es kurz durchgeblättert und mich über die gelungene Aufmachung gefreut, und es dann zu den vielen anderen ungelesenen Büchern ins Regal gestellt. Als dann 2006 der Conventus Leonis, ein jährlicher Rollenspiel-Con in Braunschweig, war, dachte ich, ein kleiner Workshop über den Hexer wäre nicht schlecht. Ich meldete ihn also an und nahm das erste Mal das Buch zur Hand, um es auch wirklich durchzulesen.

Und was soll ich sagen: Das Buch ist gut. Ich fand es viel besser, als die Einzelteile, die ich kannte, hätten erkennen lassen können. Heiko Gill hat hervorragende Arbeit geleistet und nicht nur die komplette Romanreihe auf Monster, Kulte, Zauber und Zusammenhänge analysiert, sondern die Einzelteile auch so präsentiert, dass die pulpige Stimmung genauso herüberkommt wie der unglaubliche Einfallsreichtum von Herrn Hohlbein.

Die Regeln sind nur minimal angepasst und alle Änderungen zum Standard-Cthulhu-Regelwerk (ein weiterer Pluspunkt) hinten im Buch zusammengefasst. Hauptänderungen sind in der Magie zu finden, denn das Magiesystem wurde komplett überarbeitet. Eine erhöhte Trefferpunktanzahl bei den Hauptpersonen sorgt für eine geringere Sterblichkeitsrate, denn Helden sollten nicht so schnell sterben.

Das Monsterkapitel bietet eine Liste von herrlich unterschiedlichen Wesen: Cthulhu und Dagon, die 13 Schatten und Yog-Sothoth, Engel und Katzenfrauen und neben Elefanten, Löwen und Werwölfen sogar Dinosaurier. Das Kapitel über Personen und Organisationen deckt die ganze Palette von Hasan Necron bis zum Orden der Tempelritter ab. Auch die wichtigsten Schauplätze sind zu finden. Ganz nebenbei sind viele davon auch noch generisch genug, dass man sie als Vorbild für ähnliche Schauplätze nutzen kann. Meddings Mansion, ein großes Herrenhaus mit ausführlichen Karten, ist ein solches Beispiel.

Die Geschichten des Hexers spielten Ende des 19. Jahrhunderts, immer 100 Jahre vor dem bei der Veröffentlichung aktuellen Datum. Da aber „Cthulhu“ eher in den 20er Jahren angesiedelt ist, wurde die Zeitleiste fortgeschrieben. Das Team um Heiko Gill hat neue Organisationen erfunden, ein paar Leute umgebracht und andere verändert. Das Soap-Opera-Gefühl der Romanreihe wurde so auf nette Weise ins Spiel übertragen.

Das Buch ist also gut: nett zu lesen, viele Ideen; alles, was man braucht, an einem Platz. Trotzdem war es mir auf dem Conventus Leonis fast peinlich zuzugeben, dass ich am Hexer mitgearbeitet habe. Mein Seminar blieb leer und als bei der sonntäglichen Auktion von Ramsch und Raritäten Hexer-Romane und ein Regelwerk versteigert wurden, fand sich zwar je ein Käufer, doch gleichzeitig hagelte es böse Kommentare aus dem Publikum.

Diese sehr emotionale Abneigung einiger Con-Besucher erschien mir übertrieben, auch wenn es verständlich ist, dass der erwachsene Rollenspieler von heute die Hexer-Romane nicht mag. Liest man Herrn Hohlbein und erwartet Lovecraft, wird man zwangläufig enttäuscht sein. Es ist eben nicht „Cthulhu“, wie es Lovecraft erdacht hat, sondern pulpige Spannungsliteratur mit allen dazugehörigen Klischees.

Genau das ist wahrscheinlich das Problem: „Der Hexer von Salem“ ist eben nicht „Cthulhu“. Cthulhu-Spieler, die auf ein deutsches „Pulp Cthulhu“ gehofft haben, bekommen das mit dem Hexer eben nicht, denn das Setting ist ein ganz anderes und es gibt relativ wenige Spieltipps.

Eine gehörige Portion Horror und Heldenmut, ein bisschen Soap Opera und Monster von Tentakelschwingern über geniale Werwölfe bis hin zu Dinosauriern, all das zusammen ergibt den Hexer. Vielleicht ist es nicht das, was man als „Pulp-Cthulhu“-Fan erwartet, doch das Gesamtwerk ist als Anleitung für ein entsprechendes Spiel kaum zu überschätzen. Das Buch liefert alle Einzelteile, die man braucht und wenn man Beispiele haben will, wie eine gute Pulp-Kampagne aussehen könnte, liefern die Zusammenfassungen der Romane mehr als genug Informationen. Ich jedenfalls hatte am Spieltisch schon sehr viel Freude mit dem Hexer – und ich werde bestimmt auch in Zukunft noch mehr davon haben.

Veröffentlicht am 24. Juni 2007, in Cthulhu abseits, Hexer von Salem. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für Der Hexer von Salem.

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