Rezension: Neil Gaiman – Anansi Boys

Fat Charlies Leben ist trist: Seine Schwiegermutter in spe hasst ihn, seine Verlobte will keinen Sex vor der Ehe, sein Boss ist ein Widerling und sein Job langweilig. Und sein Vater ist peinlich. Mit seinen zitronengelben Handschuhen und dem grünen Filzhut bringt er Fat Charlie immer wieder in Situationen, die für seine etwas verklemmte Persönlichkeit der absolute Alptraum sind. Ihm hat er auch seinen Spitznamen zu verdanken, den er ums Verrecken nicht wieder los wird, obwohl er seit vielen Jahren Normalgewicht hat.

Doch jetzt ist sein Vater tot und Fat Charlie erfährt, dass dieser ein Gott gewesen sein soll: Ein afrikanischer Spinnengott mit einem Faible für Geschichten, um genau zu sein. Und er erfährt, dass er einen Bruder namens Spider hat, der mehr von seinem Vater geerbt hat als Fat Charlie.

Wer erfahren will, wie eine Beziehungskomödie von Neil Gaiman aussieht, der sollte sich „Anansi Boys“ kaufen. Die Begegnung mit seinem Bruder bringt Fat Charlies leben völlig durcheinander. Sein Job ist plötzlich in Gefahr, er hat Probleme mit seiner Verlobten und sogar der Polizei. Er will, dass Spider verschwindet und fliegt deshalb nach Amerika zurück zu seinen Tanten, die ihm helfen sollen.

Das Buch ist seichter als Gaimans bisherigen Romane. Man erahnt beispielsweise schon früh, wer wen am Ende „kriegt“ und auch die Wendungen um Charlies Chef und seine Schwiegermutter sind wenig überraschend. Zum Schluss wird es sogar ein wenig kitschig. Aber wie vom Erfinder von „Sandman“ zu erwarten, sind es die kleinen Weisheiten und die jederzeit sympatische Erzählweise, die das Buch gut machen. Man lacht über gewitzte Formulierungen und freut sich über die kleinen Wendungen oder Darstellungen von bestimmten Personen oder Göttern. „Anansi Boys“ ist eine gelungene Komödie, die mit jeder Zeile zu unterhalten weiß, da ist es egal, ob andere Romane tiefgängiger sind.

Stefan Kaminski liest das Hörbuch, auf das sich diese Rezi bezieht, hervorragend. Manchmal benutzt er Betonungen, die meiner Meinung nach nicht zu Gaimans Stil passen, betont Pointen oder verzerrt Stimmen, wo ich mir die Zeilen durch Ruhe pointierter vorstellen würde. Dennoch kann er fesseln und zieht den Hörer in die Geschichte.

Anmerung für Rollenspieler: Es gibt ja inzwischen eine Menge Rollenspiele, die Mythologien aufgreifen: Scion kommt mir da als erstes in den Sinn. Die Tiergötter, besonders Anansi und Tiger, könnten eine interessante Ergänzung zu den Göttern der jeweiligen Rollenspiele sein und Spider, ja sogar Fat Charlie würden beide gute „Scions“ abgeben. Auch könnte ich mir gut Superhelden mit entsprechenden mythischen Themen vorstellen. So oder so: Wenn man wissen will, wie Götter in der modernen Welt zurechtkommen würden, macht man mit „American Gods“ oder eben den im gleichen Universum spielenden Roman „Anansi Boys“ nichts falsch.

Veröffentlicht am 29. Januar 2010, in Literatur, Rezensionen. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für Rezension: Neil Gaiman – Anansi Boys.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.