[Rezension] Finsterland – Handbuch der Technologie
[Quellenbuch von Georg Pils, Gregor Eisenwort, Michael Prammer; Eigenverlag, 2012, Sprache: Deutsch, Hardcover, 164 Seiten, 25 €]
„Finsterland“ ist ein beeindruckendes Hobbyprodukt aus Österreich – ein Rollenspiel, das Fantasy und Steampunk miteinander verbindet, produziert auf einem Niveau, das an professionelle Veröffentlichungen locker heranreicht. Das vorliegende zweite Quellenbuch wirft einen genauen Blick auf die Technik und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Wie die bereits erschienen Bücher ist das „Handbuch der Technologie“ ein hervorragend produzierter Hardcoverband. Die Bindung ist stabil und flexibel und das Papier ist cremefarben und von auffallend guter Qualität. Das Cover fängt das Thema gut ein, könnte aber etwas dynamischer sein. Die Schwarzweißzeichnungen im Buchinneren sind in ähnlichem Stil, hübsch und mit Charme, aber auch ihnen fehlt es etwas an Dynamik. Das übersichtliche und unaufdringliche Layout arbeitet mit hübschen Seitenrahmen aus Rohren, Dampfkesseln und Zahnrädern.
Das „Handbuch der Technologie“ beschränkt sich nicht auf reine Technik- und Ausrüstungsbeschreibungen, sondern wirft einen Blick auf die Auswirkungen der Technik auf die Gesellschaft. Blättert der interessierte Leser durch das Buch, findet er wenige Listen, dafür aber Beschreibungen von Universitäten und Unternehmen, Kapitel über Politik und Gegner und ein ausführliches Abenteuer. Ganz ohne Listen geht es nicht ab, aber alles ist eingebettet in den großen Zusammenhang.
Wenn das Buch überhaupt einen Fehler hat – so viel sei vorab gesagt –, dann dass ihm ein wenig der „Spiele mich“-Faktor fehlt, der Begeisterungsfunke, der den Leser an den Spieltisch zwingt. Das gilt für die ganze Reihe. Es ist allerdings schwer der Finger darauf zu legen, wieso das so ist, denn das Buch ist hervorragend geschrieben und liefert massenweise interessante und vor allem spielbare Details. Allein das „Gegner“-Kapitel mit seinen Eisenmeistern, Luftpiraten und Revolutionären bringt Ideen für Dutzende von Abenteuern zum Leser, und das Spielleiterkapitel enthält mehrere Kampagnenbeschreibungen. Vielleicht liegt es am Thema selbst, denn wo eine Fantasywelt von sich aus roh, gefährlich und voller Abenteuer ist, bietet eine Steampunkgesellschaft straffe Organisation, Fabrikarbeit und den Versuch, Sicherheit zu schaffen. Mehr noch als bei der Fantasy hängt es am Spielleiter, die Spieler zu begeistern.
Das erste Kapitel heißt „Krieg“, denn nichts sorgt mehr für technischen Fortschritt als Kriege. Ein hochinteressanter Geschichtsabriss zeigt, wie sich das „Finsterland“ zu dem entwickelte, was es jetzt ist. Den Autoren gelingt es durch kleine Abenteueraufhänger am Ende jedes Geschichtskapitels auch lange vergangene Ereignisse relevant für aktuelle Geschichten zu machen. Ebenso zur Technologie gehören Themen wie der Aufbau von Heeren und eben diese findet man zusammen mit allerlei Tötungs- und Transportgerät in Abschnitt „Das Militär des Finsterlandes“. Berühmte Einheiten schließen das Kapitel „Krieg“ ab. Wieder beweist das Finsterland-Team, das es weiß, worauf es ankommt, denn neben Abenteuerideen, die wie im gesamten Buch an das Ende jeden Abschnitts angefügt sind, findet der Leser jeweils drei Namen von „bekannten Einsätzen“ in den Beschreibungen. Die Namen deuten teilweise genug an, um ganze Kampagnen zu unterfüttern, mir jedenfalls kommen diverse Ideen, wenn ich den Einsatz „Die Entlastung der Verteidiger von Meltitz“ lese.
Das Kapitel „Technologie“ bietet einen Überblick über verschiedene Themen wie Kommunikationstechnologien, Verkehrsrouten, Industrie und Medizin. Drei wichtige Unternehmen innerhalb dieser Zweige und drei Abenteuerideen schließen die jeweiligen Abschnitte ab. Es wird die Essenz der jeweiligen Technologien eingefangen und so enthält „Industrie“ zum Beispiel auch Beschreibungen von ungewöhnlichen Grundstoffen. Am Ende stehen Universitäten und besonders große Unternehmen, die genau wie die berühmten Einheiten detailiert sind, ohne den Leser mit Informationen zu erschlagen.
Auch die „Politik“ darf in einem Buch über eine technisierte Gesellschaft nicht fehlen, denn auch diese macht im „Finsterland“ eine starke Entwicklung durch. Nicht ganz so spannend ist der Regierungsaufbau des Kaiserreichs, doch die Beschreibungen von Geheimdiensten, Parteien und Strömungen sind wieder Nährboden für viele Abenteuer.
Es folgen die beiden langen Kapitel „Technologie für Spieler“ und „für Spielleiter“, die sich etwas mehr mit dem Spiel selbst beschäftigen. Ersteres liefert den interessierten Spielern Beispielcharaktere, neue Spezialmanöver, Organisationen, Regeln und natürlich Ausrüstung. Letzteres geht auf die Bereiche ein, die für den Spielleiter interessant sind: viele ausführlich beschriebene Kampagnenideen und Orte, die von Technik beeinflusst wurden oder wo diese gestaltet wird (Labore, verseuchte Gebiete usw.). Es ist das vielleicht beste Kapitel des Buches.
Alles was „cool“ ist, findet man im Kapitel „Gegner“: von einer sehr erfolgreichen Geheimgesellschaft über Automaten und Luftpiraten bis hin zu den Eisenmeistern, eine kulturschaffende Spezies, die von den Menschen unter die Erde getrieben wurde und jetzt zurückdrängt. Ein großes unterirdisches Reich existiert unter dem „Finsterland“ und wird mit Karte, Kultur, Geschichte und speziellen Wesen beschrieben. Auf der Suche nach dem oben erwähnten „Spielemich!“-Faktor wird man hier am ehesten fündig.
Das Buch schließt mit „Die Höllenfahrt des Engel HX“ ab, einem langen Abenteuer, über das nicht viel verraten werden soll, damit keine Überraschungen verdorben werden. Die Charaktere sollen den Transport einer Waffe in einem Zug bewachen, werden mehrfach angegriffen, müssen sich mit anderen Agenten herumschlagen und erleben eine geschickte Pointe. Der eine oder andere Spielleiter könnte von der großen Anzahl an Figuren in der Geschichte überfordert sein. Über einen Mangel an Action wird sich jedenfalls niemand beklagen können.
Eigentlich gibt es nichts zu meckern. Das „Handbuch der Technologie“ kann es locker mit so manchem „professionellen“ Rollenspielprodukt aufnehmen. Das Buch ist hervorragend geschrieben. Es bietet einen guten Überblick und konzentriert sich auf die interessanten Details, wovon es wirklich eine Menge gibt. Der Aufbau ist vorbildlich. Der Text liest sich gut, kann aber ebenso als Nachschlagewerk benutzt werden. Die Bindung stabil und das Papier von hoher Qualität. Das „Handbuch der Technologie“ ist trotz kleiner Einschränkung ein tolles Buch.
[Rezension auch im SpielxPress]
Veröffentlicht am 25. März 2013 in Rezensionen und mit Finsterland, Steampunk getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für [Rezension] Finsterland – Handbuch der Technologie.
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