[Rezension] Spherechild: Winter der vier Wölfe

Winter der vier Wölfe[Winter der vier Wölfe von Alexander Hartung, Eigenverlag, Sprache: Deutsch, DIN-A4-Heft, 44 Seiten, 11,95 €]

Ein Rollenspielsystem braucht Abenteuer. Nachdem letztes Jahr die Neuauflage von „Spherechild“, dem Multi-Genre-Rollenspiel aus deutschen Landen, erschien, bekommt der Leser jetzt mit „Winter der vier Wölfe“ den ersten Teil einer 4-teiligen Abenteuerkampagne in die Hand. Nichts zeigt so gut, worum es in einem Rollenspiel geht, wie fertige Abenteuer. Alexander Hartung ist da offenbar meiner Meinung, denn hier liefert er nicht nur eins, sondern gleich drei Beispiele in einem preiswerten, hübschen Heft.

(Man mag von fertigen Abenteuern halten, was man will, doch als praktisches Beispiel sind sie unverzichtbar, und wenn man vorgefertigte Geschichten nicht mag, kann man sie immer noch als Ideenlieferant benutzen. Abenteuer verkaufen sich zwar nicht so gut, deshalb werden sie häufig vernachlässigt, fördern aber durch ihre bloße Verfügbarkeit den Verkauf der Regel- und Quellenbücher – ein Punkt, der leider häufig übersehen wird.)

Das Cover gefällt mir gut. Ich weiß nicht, wer die vier Gestalten darauf sind, aber ihre Darstellung ist gelungen. Es könnten die vier Hauptgegner, der vierteiligen Kampagne sein. Das Layout hat mir schon im Grundregelwerk gefallen und kann auch hier überzeugen. Bilder findet man im Inneren wenig, doch das stört nicht. Das Layout ist aufgelockert und übersichtlich, da sind Bilder gar nicht nötig. Ehrlich gesagt, gefallen mir die wenigen Exemplare auch nicht sonderlich, da bin ich ganz froh, dass es wenige und sie recht klein sind.

Drei Abenteuer bilden diesen ersten Teil der Kampagne um vier Artefakte, die es zu finden und zu vernichten gilt. Es geht um nichts geringeres als das Schicksal der Fantasywelt Valcreon. Doch wie es sich für Sperechild gehört, wird auch Icros einbezogen, die moderne Welt mit Gestaltwandlern und einer Bedrohung aus dem All. Die Abenteuer setzen die Ereignisse fort, die in den Beispielabenteuern im Grundregelwerk begonnen haben.

Doch noch ahnen die Charaktere nicht, was auf sie zukommt. Alles beginnt auf der Spur von zwei Verbrechern, die zum Personal des Wirtshauses „Zum Wilden Weiher“ gehören. Dort gilt es herauszufinden, was die Verbrecher im Sinn hatten und die Hintergründe für die Ereignisse im Grundregelwerk aufzudecken. Im „Weiher“ stoßen die Charaktere auf ein Echo aus der Welt Icros, das ihr vorankommen verhindert. Ihre Geschwister in der anderen Sphäre können es hoffentlich ausschalten, sodass sie einen Hinweis auf eine furchtbare Intrige finden. Im letzten Abenteuer müssen sie sich in einen großen Ball einschleusen und ein Verbrechen verhindern.

Der Aufbau der Abenteuer ist prinzipiell gleich, bietet aber völlig unterschiedliche Herausforderungen. Hartung hat einen Weg gefunden, um Railroading zu minimieren und dem Spielleiter alle Freiheiten in die Hand zu geben, die er benötigt, aber dennoch alle Einzelheiten zu liefern, um ihm das Leben so einfach wie möglich zu machen. Er beschreibt jeweils die Örtlichkeiten, an denen das Abenteuer spielt, seine Bewohner, was diese tun, besondere Ereignisse und andere für die Ziele der Charaktere wichtige Details. Alles ist auf die speziellen Ziele der Charaktere zugeschnitten, was diese an den Orten jedoch tun, ist völlig ihnen überlassen.

Im ersten Teil „Das Kelgharen-Versteck“ wird das Wirtshaus und sein Geheimnis beschrieben und welche Schutzmaßnahmen die Verbrecher getroffen haben, um ihr Geheimnis zu bewahren. Egal, ob die Charaktere mit brutaler Gewalt vorgehen, sich einschleusen oder von weitem beobachten, der Spielleiter hat alles in der Hand, was er braucht.

Das gilt auch für den zweiten Teil „Icros – die OINC-Messe“ (das Acronym OINC – Organisation für Informations-, Nano- und Computertechnologie – zeigt, dass sich Spherechild nicht zu ernst nimmt, was ich sehr sympatisch finde; der Eindruck setzt im gesamten Kapitel fort). Dort gehen die Charaktere auf eine Messe der ganz besonderen Art, können neue Erfindungen ausprobieren, angebotene Denkspiele lösen und auf die kleinen Zwischenfälle reagieren, die immer wieder geschehen. Das Abenteuer plätschert etwas langsam vor sich hin, doch da die Charaktere noch nicht von ihren Geschwistern von Valcreon kontaktiert wurden, entsteht eine interessante Erwartungshaltung, die für Spannung sorgt. Diese Erwartungshaltung kann es aber notwendig machen, dass der Spielleiter eingreift, um die Action in Gang zu bringen. Danach jedoch führt alles zu einem gelungenen Showdown an einem ungewöhnlichen Ort. Das Kapitel ist verspielt und bietet viele Möglichkeiten, um ein wenig Charakterdarstellung zu betreiben, ohne von einem Plot nach vorn gehetzt zu werden. Wenn die Gruppe das Langsame und Verspielte nicht mag, kann der SL diese Teile abkürzen und hat mit den actionreichen Teilen dennoch genug zu tun. Kleines Manko: Im Kapitel habe ich keinen Hinweis gefunden, was denn nun das Echo auf Valcreon auslöst (oder ich habe es übersehen). Das steht nur in der Einleitung der Kampagne, ist aber so einfach, dass sich der Spielleiter noch daran erinnern sollte.

Im dritten und letzten Teil des Bandes, „Der Empfang des Grafen Verstal“, wird es komplex. Die Charaktere müssen sich auf einem Ball einschleusen und verhindern, dass der Graf und seine Familie getötet werden. Der komplette Ball wird dargelegt. Es gibt lange Listen mit Gästenamen (und sogar einen Sitzplan), Abfolge des Balls, ungewöhnliche Ereignisse, die Pläne der Attentäter und Karten der Örtlichkeiten. Spieler und Spielleiter sind wie bisher völlig frei in ihren Handlungen. Für Anfänger ist das nichts, aber erfahrene Spielleiter bekommen einen übersichtlich gestalteten Spielplatz, auf dem sich die Spieler austoben können.

All das bereitet Alexander Hartung übersichtlich, kurz und vollständig auf. Es gibt keine seitenlangen Hintergrundgeschichten, kein schwülstiges Stimmunggeschwafel, keine unnötigen Detailberge. Er konzentriert sich auf das Wesentliche, lässt Freiheiten und liefert lange, übersichtliche Listen, aus denen der Spielleiter auswählen kann.

Man merkt dem Band die deutsche Rollenspieltradition an. All das fühlt sich eher nach Midgard oder DSA und weniger nach Pathfinder oder Savage Worlds an. Da Hartung aber die typischen Fallstricke deutscher Abenteuer vermeidet, stört es nicht, dass die amerikanische Coolness fehlt. So manchem Leser wird es so ohnehin lieber sein.

„Winter der vier Wölfe“ ist ein schöner Band und ein toller erster Teil einer Kampagne. Der Spielleiter kann die drei Abenteuer außerdem problemlos ohne die Fortsetzung spielen. Man kann nur hoffen, dass die Qualität auch in weiteren Bänden für Spherechild beibehalten werden kann.

Veröffentlicht am 5. Januar 2013, in Rezensionen. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für [Rezension] Spherechild: Winter der vier Wölfe.

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