[Rezension] Einsamer Wolf Mehrspielerbuch
[Grundregelwerk von Matthew Sprange und Joe Dever, Mantikore Verlag, Sprache: Deutsch, Taschenbuch, 164 Seiten, € 14,95]
Habt ihr in den 80ern auch stundenlang über diesen seltsamen Büchern mit ganz vielen kleinen Abschnitten gehangen, habt mit einem Bleistift auf eine Seite mit zufällig verteilten Zahlen getippt und Kämpfe mit dunklen Kreaturen der Finsternis ausgefochten, die das Land Magnamund vernichten wollten? All das gibt es jetzt auch als Rollenspiel.
Sie treiben heute wohlige Wellen nostalgischen Wohlseins über meinen Rücken: Die Spielbücher der Reihe „Einsamer Wolf“ von Joe Dever, in denen der Spieler als letzter Überlebender des Ordens der Kai gegen finstere Giaks und Szall antritt, um sein Land vor den Mächten der Finsternis zu verteidigen. Mongoose Publishing kaufte die Rechte an der Spielbuchreihe und veröffentlicht sie seit einiger Zeit in neuem Gewand. Der Mantikore-Verlag übersetzt die neuen Bücher und bringt sie nach und nach auf Deutsch heraus.
Die Bücher bieten alles: Eine stimmungsvolle Welt, spannende Geschichten, exotische Wesen und den Kampf gegen das Böse – eigentlich perfektes Rollenspielfutter. So dachte sich auch Mongoose und kündigte bereits vor Erscheinen der ersten Ausgabe der Neuauflage ein Rollenspiel an, das die einfachen Regeln der Spielbücher aufgreift. Inzwischen sind dafür sogar verschiedenen Quellenbücher erschienen, und wieder tut uns der Mantikore-Verlag den Gefallen und veröffentlicht eine deutsche Version.
Das Softcover hat die Größe eines Taschenbuchs, ca., 160 Seiten und kostet €14,95. Das ist nicht viel für ein komplettes Rollenspiel mit Abenteuer, aber dann doch relativ viel, wollte man Wortzahl pro Euro umrechnen. Aber wer tut das schon bei Rollenspielbüchern? Das Titelbild gefällt mir gut und der Text ist in einer meiner Lieblingsschriftarten gesetzt (Souvenir). Die Innenbebilderung ist spärlich, aber gelungen. Der Einband ist stabil und die Seiten dick – für ein Taschenbuch sogar zu dick, denn es sollte schwer sein, das Buch am Spieltisch zu benutzen, ohne selbst diese stabile Bindung zu zerstören. Da ist das Original mit seinen biegbareren Seiten haltbarer.
Zielgruppe des Buches sind Rollenspielanfänger. Die Regeln sind wirklich so einfach, dass sie jeder kapieren sollte. Die einzige hier beschriebene Klasse sind die Kai-Lords (ein Buch mit weiteren Klassen wird folgen) und die Werte der Kai-Lords sind exakt wie im Spielbuch. Es gibt genau zwei Werte: Kampfstärke und Ausdauerpunkte, die zufällig ermittelt werden. Außerdem gibt es zehn Sonderfertigkeiten von Sechster Sinn bis Waffenkunde, von denen sich die Charaktere zu Beginn fünf aussuchen dürfen. Sie sind die gleichen wie in den Spielbüchern, nur etwas ausführlicher beschrieben. Proben gibt es auch: Man ermittelt eine Zahl zwischen 0 und 9 (mit Hilfe eines W10s oder in dem man mit geschlossenen Augen auf eine Seite mit zufällig verteilten Zahlen hinten im Buch tippt) und der Spielleiter legt fest, welchen Mindestwurf man erreichen muss. Das war’s. Es gibt noch ein paar Tipps, wie man Boni für die Würfe festlegen kann (z. B. wenn eine passende Sonderfertigkeit angewendet wird o. ä.), aber mehr auch nicht.
Auch die Kampfregeln sind wie in den Spielbüchern: Es wird die Differenz der Kampfwerte und pro Runde einmal eine Zufallszahl ermittelt. Eine Tabelle gibt an, wie viele Punkte Gesundheit der Gegner und/oder der Spielercharakter verlieren. Ein paar einfache und geschickte Regeln für Kämpfe gegen mehrere Gegner ermöglichen rudimentäre Taktik.
Der Rest des kleinen Buches enthält Spieltipps für Spieler und Spielleiter, ein paar Seiten über die Geschichte der Welt Magnamund, Monster, eine kurze Beschreibung des Landstriches „die Hinterlande“ und ein langes und ausführlich beschriebenes Abenteuer.
Alles wird detailliert erklärt. Genauso stelle ich mir ein Buch für Rollenspielanfänger vor. Die Schrift ist groß und die Beschreibungen von Welt und Monstern kurz, die Regeln und Spieltipps sind dafür umso ausführlicher. Das Abenteuer nimmt den Spielleiter Spielbuch-mäßig bei der Hand („Wenn die Spieler das machen, lies hier, machen sie dies, lies dort“), gibt Ratschläge zur Darstellung von Kampf und NSCs und bietet viele Vorlesetexte.
Leider ist die Übersetzung nicht fehlerfrei. Der Abschnitt über waffenlosen Kampf wurde unerklärlicherweise vergessen – ein unschöner und unnötiger Patzer. Dafür gibt es anders als im Original eine farbige Karte.
Folgebände sind schon angekündigt und auch da folgt der Mantikore Verlag der geschickt gewählten Reihenfolge des Originals: Zunächst soll das lange Abenteuer „Der Schrecken der schwarzen Lords“ folgen, um mit dem Spielen weitermachen zu können. Dann folgt „Die Helden von Magnamund“, was eine ganze Reihe von neuen Heldentypen und Beschreibungen ihrer besonderen Fähigkeiten enthält. „Sommerlund“ beschreibt eines der wichtigsten Länder von Magnamund (jedenfalls aus Sicht der Kai) und das „Magnamund Monsterhandbuch“ liefert neue Gegner. Bleibt nur zu hoffen, dass die Bücher so erfolgreich werden, dass die Übersetzungen auch tatsächlich herauskommen. Ich freue mich jedenfalls schon darauf.
Fazit: Das „Einsamer Wolf Mehrspielerbuch“ ist wahres Nostalgie-Gold. Es bietet alles, um einfach und umkompliziert in die Welt Magnamund einzutauchen und endlich auch mit seinen Freunden um das Überleben des Landes zu kämpfen. Für erfahrene Spieler ohne Bezug zu den Spielbüchern sind die Regeln sicherlich etwas zu einfach, aber Anfängern und alten Fans kann es abgesehen von dem kleinen Übersetzungpatzer uneingeschränkt empfohlen werden.
[Diese Rezension erscheint auch im Ringboten.]
Veröffentlicht am 23. Mai 2011 in Rezensionen und mit Old-School getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für [Rezension] Einsamer Wolf Mehrspielerbuch.
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