Malmsturm aus der Sicht eines Helfers

Es ist schon so lange her, dass ich mich an viele Details nicht mehr erinnere, aber irgendwann erzählte mir Dominik von einem Projekt, das er gern machen wollte. Er wollte ein Rollenspielsystem entwickeln, das erzählerisch ist, aber Balancing bietet, flexibel ist und jede Art von Fantasyspiel ermöglicht, aber dennoch sollte es nicht zu kompliziert sein. Ich antwortete: „Das klingt nach einer Eier legenden Wollmilchsau.“ Und ich schrieb: „Kennst du eigentlich Fate?“

Ich weiß nicht mehr genau, wie viel Zeit danach verging, aber als wir später mal wieder telefonierten, hörte ich eine Begeisterung aus der Leitung, wie ich lange nicht mehr erlebt hatte. Dominik hatte die Wollmilchsau gefunden, die er immer gesucht hat. Sie spielten zu diesem Zeitpunkt schon eine Weile Fate und er und seine Gruppe waren völlig euphorisch, wie gut es lief.

Was danach im Hintergrund passierte, kann ich nur ahnen, aber einige  Zeit später war das Projekt Malmsturm geboren. Ich erklärte mich bereit, Texte zu lesen und Kommentare eines Außenstehenden abzugeben und so trudelten regelmäßig neue Versionen der Regelfassung bei mir ein. Ich muss gestehen, dass ich nicht so hilfreich war, wie es wünschenswert gewesen wäre – ein paar Anmerkungen brachte ich allerdings an – aber es war eine Freude, die Evolution des Spiels zu beobachten. Texte wurden verbessert und gekürzt, Regeln leicht verändert, gestrichen oder neu formuliert. Das System wurde leicht verständlich (nur bei den Aspekten musste ich einmal mehr hingucken) und wirklich universal – ohne jedoch zu einem Baukasten zu werden, der im Vorfeld viel Arbeit verursacht.

Das ist das Tolle an Malmsturm/Fate: Man kann sofort losspielen, wenn die Charaktere erstmal gebaut sind. Der „Baukasten“ besteht neben ein paar kleinen Entscheidungen vor Spielbeginn nur aus der Tatsache, dass Aspekte, etc. bei der Charaktererschaffung selbst gebaut und benannt werden. Eine wirklich tolle Sache, denn so ist die gesamte Gruppe involviert und man ist nicht gezwungen lange herumzubasteln. Eine so große Flexibiltät habe ich bei einem Rollenspielsystem selten erlebt.

Als ich gefragt wurde, ob ich einen Text beisteuern will, war ich sofort dabei. Ich verfasste das Spielleiter-Kapitel und ergänzte es durch ein Beispielabenteuer. Es hat richtig Spaß gemacht, sich in die Philosophie von Fate einzuarbeiten und zu versuchen, seine Essenz in Erklärung und Beispiel aufs Papier zu bringen.

Anders als in den meisten anderen Spielen, die ich kenne, ist die Philosophie von Fate nämlich wirklich anders. Die Währung der Fatepunkte sorgt dafür, dass die Spieler direkten Einfluss auf Handlung und Welt nehmen können – nicht theoretisch, nicht implizit, sondern explizit. Aber auch die beste Regel dieser Art kann nicht ohne ein wenig Absprache innerhalb der Gruppe funktionieren. Wie stark darf der Einfluss denn sein? Dazu wollte ich ein paar Tipps geben, damit eine neue Gruppe ein paar Anhaltspunkte bekommt, bevor sie mit diesem neuen Prinzip  experimentiert. Man kann normale Abenteuer mit Fate spielen, aber nur mit ein paar kurzen Absprachen vor dem Spiel. Man kann den Spielern auch totale Macht zur Mitbestimmung einräumen, indem der Spielleiter sein Vetorecht nicht oder nur höchst selten gebraucht. Regeln wie die Schicksalspunkte funktionieren nur bei vollständigem Vertrauen zwischen Spielern und Spielleiter und ein paar kurze Absprachen vor dem Spiel fördern ein solches Vertrauen.

Die nächste Herausforderung war, ein Abenteuer zu entwickeln, das diese Besonderheit erlaubt. Man kann mit Malmsturm, wie gesagt, auch Szenarien mit vorgegebenem Plot spielen, aber das wäre für ein Beispielabenteuer ungeeignet. Hier kam mir meine Beschäftigung mit Indie-Spielen, R-Maps und Bangs zu Hilfe. Ich erschuf einen Konfliktherd mit großen Emotionen und mehreren Beteiligten und stieß die SCs hinein. Um dem Spielleiter die Arbeit damit zu erleichtern, schrieb ich neun Szenen, die die Charaktere mit den Konflikten konfrontieren, dann jedoch muss der Spielleiter allein weitermachen. Die Szenen, abgesehen vielleicht von den ersten zwei oder drei, sind natürlich optional, denn bei Malmsturm weiß man nie, wie die Spieler die Schicksalspunkte einsetzen, um alles zu verändern. Dominik und, wie er mir berichtete, auch die anderen Macher von Malmsturm waren zufrieden mit dem Abenteuer und seiner Umsetzung der Fate-Philosophie, also landete auch das Abenteuer schließlich im Buch.

Irgendwann während ich letzte Hand an meine Texte legte, trudelten die ersten Layoutversuche ein und wieder war ich mehr als beeindruckt. Björn Lensing hat, so wurde mir berichtet, über 200 Bilder gemalt (wovon aber nicht alle im Regelbuch landeten), die auch direkten Einfluss auf den Text hatten. Zeichnete er eine coole Kreatur oder ein besonders stimmungsvolles Bild, wurde auch schon mal der eine oder andere Text umgearbeitet, um seine Vision einzubringen. Um das in aller Pracht zu erleben, müssen wir aber wohl noch auf „Malmsturm – Die Welt“ warten.

Das Buch ist kleinformatig – was ich zurzeit für das beste Format halte – und das Layout ist schlicht, aber elegant und Björns Zeichnungen fangen die Stimmung gut ein, obwohl sie im vorliegenden Buch noch relativ „neutral“ sind; Regeln sind nun mal neutral. Das Buch wird – edel, edel – ein Hardcover mit Goldschnitt.

Das Buch gibt es außerdem komplett als Download – umsonst mit allen Bildern im vollständigen Layout.

Ich freue mich schon sehr auf die RPC, wo ich das Buch das erste Mal in der Hand halten werde. Die Macher haben Unmengen an Herzblut hineingesteckt und man kann allen Beteiligten nur Erfolg damit wünschen.

Veröffentlicht am 29. April 2011, in freie Rollensp., Meinung. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Kommentare deaktiviert für Malmsturm aus der Sicht eines Helfers.

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